Funkenflug-Wiederauferstehung

Die Funken fliegen wieder

Revival des Chor „Funkenflug“

AM ANFANG STAND MUT.
Der Mut, eine Idee in die Tat umzusetzen: Wie wäre es, den Chor „Funkenflug“ nach 23 Jahren Funkstille wieder zusammen zu trommeln? Von 1974 bis 1989 hat der Chor gemeinsam gesungen, unter der Leitung von Vera. Das waren 15 prägende Jahre für rund 20-25 junge Menschen. Intensive Freundschaften, viele schöne Erlebnisse, gemeinsam durchstandenes Leid, natürlich auch Ärger, Streit. Zu den schönen Dingen gehört, dass der Chor zwei Ehen hervorgebracht hat, (die beide immer noch Bestand haben!)

Gaby und Gerhard, die der Chor in den achtziger Jahren zueinander geführt hat, hatten anläßlich ihrer Silberhochzeit im Juni 2012 den mutigen Plan, „Funkenflug“ wieder zusammenzubringen. Sie sind zunächst unsicher, ob ihre Idee gut ankommen wird. Es kostet  Mühe, alle Adressen im Köln-Bonner Raum, in Leipzig, Siegen, Berlin herauszufinden. Die Wege haben sich zerstreut. Doch schon die Mail-Reaktionen auf die Einladung zeigen: Der Plan geht auf, der Mut wird belohnt: Alle reagieren, fast alle sagen zu, keiner halbherzig, alle freuen sich.

Die erste Chorprobe seit Herbst 1989 wird zu einem Fest der Wiedersehensfreude. Viele haben sich seitdem nie wieder gesehen. Andere haben losen Kontakt gehalten, manche engeren. Aus Mitt-Zwanzigern sind U-oder Ü-Fünfziger geworden, die Haare sind wahlweise grauer, gefärbter oder weniger geworden, bei manchen zumindest. Es gibt ein Großes Hallo – viel Herzlichkeit, viel Lachen, anregende Gespräche über Berufswege, Kinder, Familie, Trennung, neu gewonnene Hobbies. Und es gibt auch skurrile Momente zwischen Chormitgliedern, die sich ratlos gegenüber stehen: „Wer bist du? Haben wir tatsächlich zusammen gesungen?“

Nach dem fröhlich-turbulenten Klön bei Kaffee&Kuchen folgt die Probe. Alle sind gespannt, was nun kommt: Lassen sich die Lieder wachrufen? Was ist mit der Alt-Stimme, Bass, Tenor? Was ist gespeichert im Gehirn nach über 20 Jahren? Klingen wir wie damals? Blamieren wollen wir uns anläßlich der Silberhochzeit am kommenden Wochenende jedenfalls nicht! Doch das Experiment läuft fast wie von selbst: Vera leitet die Chorprobe in ihrer unnachahmlich-leidenschaftlichen Art, Werner am Klavier, Hans-Jürgen an der Gitarre, Anette an der Flöte. Die Sänger – inzwischen fast alle der „Generation Lesebrille“ zugehörig – vertiefen sich in die Noten. Es folgen ein paar Stimmproben, und dann entfaltet sich der Klang. Ein Klang, der das Herz füllt. Alles ist da, als hätte es nie eine Pause gegeben. Einer der Bass-Herren sagt nach der Probe leise: „Eben beim Singen habe ich eine Träne runterschlucken müssen!“ Da war er sicher nicht der Einzige.

Beschwingt von diesem Erlebnis sehen wir der Silberhochzeit entgegen. Samstag nachmittag, Wortgottesdienst in der Pfarrkirche Dabringhausen im Bergischen Land. Ein pralles Sing-Programm liegt vor uns: Zwölf, meist mehrstimmige Lieder. Die meisten haben wir vor 25 Jahren in der Hochzeitsmesse gesungen, zwei haben wir neu einstudiert. Eine Woche zuvor haben wir Gaby&Gerhards Wohnzimmer mit unserem Klang gefüllt – jetzt füllen wir die Kirche. Voller, schöner, vierstimmiger Gleichklang. Gemeinsames Singen verbindet! Unter die Hochzeitsgesellschaft haben sich Eltern von Chormitgliedern gemischt. Sie wollen die Gelegenheit nutzen, ihre „Kinder“ noch einmal singen zu hören. Nachher heißt es: „Das klang, als hättet ihr höchstens drei Monate Pause eingelegt.“ Wie oft haben wir früher im Altarraum gestanden und gesungen! Ein völlig vertrautes Gefühl, obwohl es 23 Jahre lang verschüttet war.

Es macht Spaß, alte gute Zeiten aufklingen zu lassen, zumal bei diesem äußerst freudigen Anlass. Während wir singend „dem Himmel entgegen gehen“, erinnert Vera in dem Gottesdienst an Monika. Ihr Tod im Frühjahr 1983 war ein Tiefpunkt der Trauer und des Schmerzes im Chor. Genau das hat „Funkenflug“ immer ausgezeichnet: dass Leid nicht unter den Tisch gekehrt wurde – bei allem Spaß. Und so singen wir für Monika „Laß uns nicht fallen wie Blätter im Herbst“, dieses  ureigene Funkenflug-Lied, das schon früher jedes Mal unter die Haut gegangen ist.
 

Der Rest des Tages ist: Freude. Ein überwältigendes Fest. Ein Programmpunkt jagt den nächsten. Zur Geschenkübergabe schmettert der Chor ein mehrstimmiges „Mit Lieb bin ich umfangen“, einer unserer Klassiker. Ohne jegliche Probe, vollkommen improvisiert, doch auch hier sind Text und Stimme nach fast einem Vierteljahrhundert wieder voll da. Wundersam!

Was bleibt? Dank an Gerhard & Gaby für die Idee, für die Mühe und Gastfreundschaft. Die Aussicht, dass wir uns im nächsten Jahr wiedertreffen und singen. Jede Menge Ohrwürmer in den darauffolgenden Tagen. Und die Gewißheit, dass alte Verbundenheit etwas ganz Kostbares ist.

Im Juli 2012, die Dette aus dem Alt

Fotos: © Christa Neumann

Nachtrag:
Die Dankanzeige des Silberhochzeitspaares kann jetzt hier eingesehen werden.